Der Friese an sich gehört wahrscheinlich mit zu den bekanntesten Pferderassen der Welt – sein typisches Exterieur, die exklusive Rappfarbe und das oft üppige, gelockte Langhaar machen ihn neben seinem typischen, “rollenden” Trab zu einer unverwechselbaren Erscheinung und zum idealisierten Traumpferd manch pferdebegeisterten Kindes (oder auch Erwachsenen).
Soviele Idealisierungen dem Friesen zugeschrieben werden, soviele Vorurteile existieren aber auch dieser alten Rasse gegenüber – Tulpentreter, Kutschpferd oder Kaltblut sind da nur ein denkbar kleiner Ausschnitt der mannigfaltigen Zuschreibungen von Kritikern und Unwissenden.
Ein besonders perfides Vorurteil hält sich aber hartnäckig und wird in vielen Diskussionen vor allem dazu genutzt, die Zuchtziele des KFPS und die züchterische Entwicklung des KFPS-Friesen zu kritisieren – es handelt sich um die Mär von der massiven Typveränderung in der Friesenzucht und dem damit immer wieder einhergehenden Vergleich von Sportfriesen vs. Barockfriesen.
Zeit für mich, mich etwas intensiver mit dieser immer wieder aufflammenden Diskussion konstruktiv auseinander zu setzen!
Sportlich und kalibrig? Kein Widerspruch bei Hielke van ‘t Grupje Vb Ster (Reinder 452 x Oege 267)
Ist der Friese ein Barockpferd, und wenn ja, wie viele?
Im deutschsprachigen Raum ist der Begriff “Barockpferd” weitaus weniger alt, als man im Allgemeinen annehmen möchte. Vor allem im Laufe der 1990er Jahre prägte eine Vielzahl von Autoren diesen Ausdruck mehr oder minder präzise als Begriff für solche Rassen, die zur Zeit des Barock (ca. 1575 – 1770) an den mitteleuropäischen Höfen als Kriegs-, Reitkunst- oder Karrossierpferde vermehrt eingesetzt wurden und / oder der im Barock beliebten, rubens’schen Idealform des beleibten Körpers entsprechen.
Eine griffige, einheitliche Definition lässt sich schon für den Begriff per se nicht finden, noch schwieriger wird es aber, die exakt dazu zählenden Rassen anhand belegbarer Gemeinsamkeiten fundiert festzulegen.
“Friesen” – im Sinne von Pferden aus den Niederlanden im Friesentyp – hat es zur Zeit des Barock bestimmt gegeben, aufgrund ihrer imposanten Erscheinung ist sicherlich auch davon auszugehen, dass solche Pferde bei Hofe beliebt waren. Inwiefern diese “Barockfriesen” dem heutigen Rassetyp oder dem rubens’schen Ideal qua Körperfülle entsprachen, lässt sich kurzgefasst nur sehr schwer beurteilen … Fotografien aus der Zeit sind bekanntlich rar 😉 und die idealisierten Malereien und Fresken der barocken Künstler sind nicht unbedingt als naturalistische Darstellungen zu betrachten.
Ob dahinter eine selektive Zucht im heutigen, stark an festgelegte Kriterien orientierten Sinne oder gar eine tragende Population von Friesen an den europäischen Höfen stand, lässt sich aus heutiger Sicht schwer beantworten. Pferde aus Friesland fanden aber jedenfalls Erwähnung in der zeitgenössischen Literatur – dort vor allem als besonders begabte Dressurpferde, die in den zur Zeit des Barock blühenden Hofreitschulen zum Einsatz kamen.
Das “Friesch Paarden Stamboek” allerdings wurde am 1. Mai 1879 gegründet und ist damit erst ein gutes Jahrhundert nach dem Niedergang des Spätbarock bzw. Rokoko entstanden – die Ursprünge unseres heutigen Friesenpferdes mögen also gerne (so wie die aller althergebrachten Pferderassen) bis dorthin und noch viel weiter zurückreichen, die selektive Zucht der heute unter der Bezeichnung “Friese” bekannten Rasse – nach festgelegten Kriterien in einer Kooperation aus mehreren Züchtern mit demselben Zuchtziel – begann 1879.
Ist der Friese also ein Barockpferd? Ich begnüge mich mit der Anschauung, dass diese Beurteilung mangels bindender Klassifikationskriterien dem Betrachter überlassen sein möge und antworte daher mit einem klaren: JEIN!
Auch ohne Barock eine Schönheit – Noblesse fan Limbach (Jerke 434 x Jasper 366)
Ist der Friese ein Sportpferd?
Sofern man ein Sportpferd als ein solches klassifiziert, das im Exterieur die Veranlagung mitbringt, in Pferdesportdisziplinen (welcher Art auch immer) erfolgreich zu sein, so kann man diese Frage in Bezug auf die Gesamtheit der Rasse der Friesen getrost mit Ja beantworten. Die Ursprünge der KFPS-Zucht liegen in edlen, bewegungsstarken Reit- und Fahrpferden, die im Friesland des ausgehenden 19. Jahrhunderts den wohlstandsstärkeren Klassen als leichtfüßige Karrossierer vor der Sjees, als elegante Reitpferde und auch als leistungsstarke Trabrennpferde in den ‘kortebaan-draverijen’ unter dem Sattel dienten. Sie wurden als die “Prunkpferde des Bauernstandes” nicht in erster Linie für die schwere Arbeit in der Landwirtschaft selektiert und zeigten sich – wie zeitgenössische Fotografien und (naturalistische) Illustrationen beweisen – in einem dem heutigen Friesen gar nicht unähnlichen, sportlichen Typ.
Allerdings konkurrierten diese ursprünglichen Friesen stark mit den bedeutend schwereren Arbeitsrassen – die Notwendigkeit von Arbeitspferden war es auch, die den prunkvollen Friesen des 19. Jahrhunderts an den Rand der Ausrottung trieb, ehe die Gründung des FPS diesem Umstand entgegensteuerte und die letzten verbliebenen Zuchtpferde unter ihre Fittiche nahm.
Die militärischen Auseinandersetzungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, namentlich die beiden Weltkriege (1914 – 1918, 1939-1945), machten selbstverständlich auch nicht vor den Friesenpferden halt und hatten durchaus nachhaltige Auswirkungen auf die damals noch immer relativ kleine Rassepopulation. Ein “Prunkpferd” war in den bitteren Kriegs- und Zwischenkriegszeiten keine Überlebenshilfe, stattdessen war im ländlichen Friesland die Nachfrage nach kräftigen Arbeitspferden groß und auch die friesische Rasse entwickelte sich zusehends weg vom royalen, eleganten “Luxuspferd” hin zu einem Pferd, das den rauen Gegebenheiten mehr entsprach. So entwickelte sich der heute in den Niederlanden als “Landbouw”-Typ bekannte Friesenschlag, dessen Stärken mehr im Ziehen des Pfluges als im leichtfüßigen Trab vor der Sjees oder unter dem Sattel lagen – und natürlich waren diese Pferde auch nicht mehr mit dem eleganten, hochbeinigen Exterieur ihrer Vorfahren gesegnet.
Diese Phase in der Rasseentwicklung des KFPS-Friesen ist auch heute noch in manchen Pferden sichtbar und wird gerne von Befürwortern der “Barockpferde”-Hypothese ins Feld geführt, um ihr persönliches Idealbild eines Friesen historisch zu belegen. Dabei wird aber gerne vergessen, dass der “Landbouw”-Typ weder ein Vertreter nach der wie auch immer gearteten “Barockpferde-Klassifikation” ist, noch jemals ein adoriertes Zuchtziel für die Rasse der Friesen an sich war. Vielmehr kann man die Entwicklung der Rasse in diese Richtung als ein notwendiges Übel betrachten, das den historischen Umständen geschuldet war.
Das KFPS jedenfalls hat es sich zum Ziel gesetzt, diese Entwicklung rückgängig zu machen und besinnt sich in seiner Zucht- und Körpolitik sozusagen auf die Wiederherstellung der ursprünglichen Rassetypologie. Ziel ist demnach die Zucht eines eleganten, gangbegabten Gebrauchspferdes, das vielseitig sowohl unter dem Sattel als auch vor dem Wagen einsetzbar ist.
Der ominöse “Sportfriese”
Nun gut, der Friese war in seinen Ursprüngen – und ist es auch in der Gegenwart – eine Pferderasse, deren Verwendungszweck auch im Sport liegt. Entgegen der Meinung mancher Kritiker hat sich daraus allerdings keine ausgeprägte und forcierte Diversifikation der Rasse entwickelt, wie dies z.B. bei vielen deutschen Warmblutrassen (in Spring- und Dressurlinien) der Fall ist – vielmehr ist das KFPS auch gegenwärtig immer noch bestrebt, die multiple (Sport)eignung der gesamten Rasse bei Erhalt eines einheitlichen Rassetyps zu fördern, was u.a. durch die immer noch gängige Praxis der multidiszplinären Hengstleistungsprüfung geschieht. Einen forciert gezüchteten “Sportfriesen” gibt es also nicht, wenngleich es natürlich mittlerweile viele Individuen unter den Friesen gibt, die ihre Sporteignung durch den Erhalt des Sportprädikats stolz als Namenszusatz tragen.
Stolzer Träger eines ELITE-Sportprädikats – Zen ‘fan Panhuys’ Ster Sport-Elite (Dries 421 x Fabe 348 P)
Der Status quo – Alter Schlag oder “KWPN mit Kötenbehang”?
Das Argument, das KFPS würde den Friesen weg von seinem Ursprung und hin zu einem “KWPN mit Fesselbehang” entwickeln, stirbt in den leider immer wieder schwelenden Diskussionen mit Verfechtern des “alten Schlages” nicht aus.
Dabei kann – wie im oberen Teil hoffentlich geschehen – recht schlüssig dargelegt werden, dass der Friese nie als schweres, kaltblutartig anmutendes Pferd konzipiert war, sondern bereits in seinen Ursprüngen ein vielseitiges Gebrauchspferd von elegantem, luxuriösem Typ darstellte.
Doch auch wenn man sich die modernen Rassevertreter einmal nüchtern betrachtet, finde ich es schwer nachvollziehbar, von einer “Versportlichung” der gesamten Rasse zu reden. Ich kann keineswegs feststellen, dass die letzthin gekörten Deckhengste “nicht mehr wie Friesen” aussehen oder besonders leicht im Kaliber wären.
Möglicherweise lassen manche Kritiker dabei außer Acht, dass die frischgekörten Hengste zum Großteil gerade 3 oder 4 Jahre alt sind und sich in Sachen Kaliber noch deutlich entwickeln, darüber hinaus erfreuen sich auch durchaus im schwereren Typ stehende Hengste (so z.B. Tsjalke 397, Pier 448 oder Bartele 472) großer Beliebtheit in der momentanen Zucht und beweisen darüber hinaus, dass ein schwereres Kaliber nicht gleichbedeutend mit fehlender Sporteignung sein muss.
Erfolgreich im Grand Prix und trotzdem ein ganzer Friese – Wirdmer fan ‘e Boppelannen Ster Sport-Elite (Beart 411 P x Jillis 302)
Umso bedauernswerter finde ich es, dass sich in den letzten Jahren vor allem im deutschsprachigen Raum zunehmend eine “Parallelzucht” entwickelt, die abseits des KFPS-Zuchtziels mit Deckhengsten “aus besonders alten” oder “besonders barocken” Linien wirbt, ohne dabei erkennbare Qualitätskriterien als Maßstab anzulegen. Vielfach findet man Deckanzeigen von in deutschen oder österreichischen Spezialrassen- oder Ponyzuchtvereinen “gekörten” Friesenhengsten, die zumeist außer großem Kaliber (einige davon nicht einmal von Natur aus mit diesem gesegnet, sondern deutlich angefüttert) und wallender Mähne nur wenige von den vom KFPS hart angestrebten Qualitäten (von der Eleganz bis zur vielseitigen Verwendbarkeit) mitbringen und oft tatsächlich mehr an ein Kaltblut erinnern als an einen Friesen.
Bedauerlich finde ich persönlich diesen Umstand insofern, als er in der Öffentlichkeit immer wieder ein falsches Bild von einer wunderbaren Pferderasse kolporiert, aber auch deshalb, weil mit diesen Bestrebungen gezielt gegen die redlichen Bemühungen des Mutterstammbuchs gearbeitet wird – auch in Sachen der öffentlichen Wahrnehmung. Und ich frage mich doch ernstlich, welche Beweggründe dahinterstehen mögen, zumal es Rassen gibt, die den von der “Landbouw”-Typ-Fraktion geforderten Kriterien weit besser entsprechen, als Friesen in ihrer ursprünglichen und vermehrt auch wieder neuzeitlichen Erscheinungsform. Genannt seien hier z.B. der Noriker oder andere leichte Kaltblut-Rassen, die mehr und mehr auch dem Wunsch nach einem kalibrigen Reitpferd mit imposantem Exterieur gerecht werden.